Rückblick & erstes Resümee

Hallo Ihr Lieben!

 

Da ich diese Woche schon wieder nur „das Übliche“ zu berichten habe, möchte ich den Eintrag nutzen, um mal ein erstes Resümee meines FSJs zu ziehen. Heute ist unser 300. Tag und ich finde das ist ein guter Zeitpunkt, um einmal auf die Zeit zurückzuschauen, die ich bisher hier in Ashaiman und Ghana verbringen durfte. Was hat sich in den 300 Tagen verändert? Inwiefern sehe ich Dinge jetzt anders als zu Anfang? Wie habe ich mich vielleicht verändert?

 

Wenn ich heute auf den 01. September 2014 zurückblicke, kommt mir das Ganze schon ewig lange her vor. Seitdem ist viel passiert und ich bin mir sicher, dass mich all die Ereignisse und Begegnungen, die ich hier erlebt und gemacht habe, verändert und geprägt haben. Zu Anfang war alles fremd; die Menschen, die Sprache, die Kultur, die Umgebung, einfach alles. Ich erinnere mich gut daran, wie uns Peter, Evans, Jan und seine Verlobte damals am Flughafen abgeholt haben und ich zunächst völlig überfordert war. Ich habe kaum etwas von dem verstanden, was vor allem Evans und Peter mir sagten, und obwohl sie Englisch gesprochen haben, war ich einfach völlig verloren. Der Akzent, die Aussprache und teilweise fremde Wörter haben mich ganz schön aus der Bahn geworfen und ich habe gezweifelt, ob ich dieses ghanaische Englisch überhaupt jemals verstehen werde. Heute habe ich mich daran gewöhnt, ich habe mich angepasst. Das schöne Englisch, das ich mal gesprochen habe, ist hoffentlich nur irgendwo gaaaanz weit hinten in meinem Gehirn vergraben, aber meine Alltagssprache habe ich vollkommen an die ghanaische angepasst. Ich benutze hier viel das sogenannte „Pigeon English“ (Umgangssprache), binde teilweise Twi in meine Sätze ein oder habe ghanaische Laute, wie z.B. „Aha“ oder „Ach“ übernommen, die hier deutlich anders ausgesprochen werden. Auch mit meinen zwei Mitvolontären spreche ich oft „Denglisch“ und vermische dabei ständig deutsche und englische Wörter.

 

Nach dem Abholen vom Flughafen kam die Ankunft im Volohaus: Zunächst war ich schon überrascht, wie es wirklich aussieht, da ich ein ganz anderes Bild in meinem Kopf hatte. Ich warf einen Blick in alle Räume und schnell drängte sich mir die Frage auf: „Wirst du dich hier wohl jemals wohlfühlen können? Das Volohaus als dein „Zuhause“ sehen können? Im ersten Moment hätte ich gesagt nein. Wenn ich jetzt zurückschaue und gerade während ich diese Zeilen schreibe, habe ich ein Lächeln im Gesicht. Ich muss über mich selbst schmunzeln, wie neu und fremd damals alles war. Wenn ich heute mit dem Rad zum Volohaus fahre, sage ich ganz selbstverständlich „Me ko fie“ („Ich gehe nach Hause“), und wenn ich ankomme, habe ich ein Gefühl von Zuhause. Ich kenne mich aus, kenne die Nachbarn, weiß wie alles läuft. Ich habe mich super eingelebt.

 

Daneben bin ich auch in immer näheren und besseren Kontakt mit den Menschen hier gekommen. Ich habe viele nette, freundliche und tolle Menschen kennen gelernt und bin irgendwo Eins mit ihnen geworden: Ich freue mich über die gleichen Dinge und ebenso schimpfe und ärgere ich mich über die gleichen Dinge wie die Einheimischen (z.B. die häufigen Stromausfälle). Und genau das verbindet. Natürlich gibt es hier auch genügend nervtötende junge Kerle, die eine weiße Frau ganz besonders interessant und toll finden und oft genug bin ich sehr genervt von den ganzen Rufen dieser. Und natürlich bekommen wir auch manchmal Anfeindungen zu spüren: Manche Menschen wollen einen „Obruni-Weltverbesserer“ hier nicht haben und denken, wir würden ihren Lebensraum einnehmen wollen oder sonst was. Aber das ist zum Glück höchst selten der Fall. Zumeist sind die Menschen glücklich, wenn sie einen Obruni sehen und behandeln ihn als Gast. Ich finde es auch interessant, dass v.a. die Kinder scheinbar niemals die Lust verlieren immer wieder begeistert „Obruni! Obruni!“ zu rufen, sobald sie einen „Weißen“ sehen. „Weiße“ haben hier eine ganz besondere Magie, die die Menschen unglaublich anziehend finden. Nicht umsonst will jeder mit uns befreundet sein und mit nach Deutschland genommen werden.

Was mich ebenfalls fasziniert und glücklich macht, ist wie die Menschen hier „Fremde“ behandeln: Die meisten schätzen jeden Versuch, den man als Obruni macht, auf Twi zu reden oder z.B. zu Musik zu tanzen. Sie wissen ganz genau, dass wir „anders“ sind, andere Gewohnheiten haben und Dinge anders händeln, aber sie sind glücklich und froh, dass man versucht sich anzupassen. Beispielsweise feiern und bejubeln uns die Menschen hier in der Kirche immer, wenn wir versuchen bei der Kollekte zu tanzen oder wenn vor dem Center Musik läuft und wir dazu tanzen. Das Gleiche gilt für jeden noch so kleinen Versuch, Twi zu sprechen. Gerade die Marktfrauen sind immer ganz glücklich, wenn man sie auf Twi anspricht und entgegnen einen begeisterten Twi-Redeschwall von dem wir dann vielleicht drei Wörter verstehen. Aber wenn man etwas nicht versteht, sagen die Menschen es einfach noch mal, zusammen mit der Übersetzung und der entsprechenden Antwort. Die meisten Ghanaer würden einen „Fremden“ nie ausgrenzen oder auslachen und genau das finde ich klasse an den Ghanaern.

 

Einige Tage nach unserer Ankunft haben wir zum ersten Mal den „First Contact Place“ (FCP), unseren neuen Arbeitsplatz, besucht. Ich erinnere mich genau was mein erster Eindruck war: „Oh Gott! Wie sieht es denn hier aus? Alles dunkel, voll gestellt mit irgendwelchem Kram, überall Staub und Spinnweben…“ Lediglich die oberste Etage hat mir schon damals sehr zugesagt, weil man von dort einen super rundum Blick über Ashaiman hat.

Heute gehe ich im Center ein und aus, ich habe mich an das Aussehen, den Geruch und alles andere dort gewöhnt. Ich fühle mich dort wohl, was ich am Anfang nie geglaubt hätte. Ich erinnere mich genau, wie ich damals in meinen Blog schrieb, dass es uns sicher ein guter Arbeitsplatz sein wird, aber um ehrlich zu sein, war ich davon zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht überzeugt. Wenn ich jetzt an diese Zeit zurückdenke, kommt mir das Ganze merkwürdig und dumm vor. Aber ich sollte doch Recht behalten, denn schon nach kurzer Zeit war das FCP für mich einer der vertrautesten Orte hier, den ich mittlerweile wie meine Westentasche kenne. Es wird mir schwer fallen mich von diesem Ort zu trennen, da ich sehr viele Gefühle und Erlebnisse damit verbinde.

 

Auch die zwei Jungs und ich haben in den vergangenen Monaten gelernt miteinander im Volohaus zu leben und uns zu arrangieren. Natürlich ist in einem Jahr nicht immer alles „Friede, Freude, Eierkuchen“, aber wir haben es geschafft, die letzten Monate gut miteinander auszukommen und zusammen zu leben. Größeren Streit gab es bis jetzt auch glücklicherweise noch nicht und ich denke, darauf können wir auch stolz sein.

Zunächst hatte ich schon meine Zweifel ein Jahr zusammen mit zwei Jungs zu leben (und auch heute bin ich mir nicht sicher, ob ich noch mal in eine Männer-WG ziehen würde ;)), aber dennoch war es eine gute Erfahrung und es hat Spaß gemacht. Ich habe viel gelernt in diesem Jahr, wovon ich sicherlich auch später profitieren werde.

 

Es überrascht mich immer wieder an wie viele Dinge man sich gewöhnen kann. War ich zu Beginn noch geschockt, wie wir hier ein Jahr lang leben sollen, denke ich heute, dass wir im Volohaus wirklichen Luxus haben. Auch war ich am Anfang geschockt von den Zuständen des Wohnens und Lebens der Menschen in Ashaiman. Ich war überrascht von den Wellblechhütten, heute weiß ich, wie gut es die Menschen haben, die immerhin eine solche Wellbelchhütte haben. Ich habe gelernt über viele Dinge hinwegzusehen, das Elend um mich herum zu übersehen oder zu ignorieren. Und trotz der Armut und dem Elend der Menschen hier, bin ich immer wieder überrascht und gleichzeitig froh, wie lebenslustig und glücklich die Menschen in Ashaiman sind, auch wenn sie fast nichts haben. Vor einiger Zeit ist mir ein Spruch begegnet, den ich seitdem nicht mehr vergessen kann: „Wir sind nicht arm, wir haben nur kein Geld“. Und genau so ist es; dieses Statement trifft die Situation auf den Punkt und so ist die Einstellung der Menschen hier. Und genau das finde ich klasse und obendrein einfach nur bewundernswert!

 

Als Fazit kann ich sagen, dass mich das Jahr in Ashaiman und Ghana – mit allen seinen Höhen und Tiefen - geprägt hat und ich mich verändert habe. Ich kann nicht genau sagen wie, aber ich bin mir sicher, dass Ihr es alle merken werdet, wenn wir wieder miteinander umgehen. Meine Sichtweise auf einige Dinge hat sich geändert, meine persönliche Einstellung zu Dingen hat sich geändert, ich habe mich verändert.

Und ich glaube fest daran, dass dieses Jahr eines der prägensten in meinem Leben ist und sein wird. In der Zeit hier in Ghana habe ich gelernt, was Luxus heißt und wie viel davon wir bzw. ich eigentlich in meinem Leben hatten. Ich habe gelernt, dass es aus jeder schwierigen Situation einen Ausweg gibt und dass man sich Herausforderungen stellen muss.

Ich hoffe, dass ich auch hier und bei den Kindern etwas bewegen und verändern konnte und dass sie etwas gelernt haben, aber ich bin mir sicher, dass ich viel mehr aus und von diesem Jahr mitnehmen werde als ich geben konnte.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0
Das bin ich :)
Das bin ich :)

 Kontakt:

alina.in.ghana@gmail.com

 

 

Spenden bitte an:

SPENDENKONTO AKTION LICHTBLICKE GHANA e.V.

Bank für Kirche und Caritas eG

BIC: GENODEM1BKC

IBAN: DE50 4726 0307 0021 8608 00

 

für weitere Infos siehe: Förderkreis

 

Jetzt spenden!

 

  

Für eine andere Perspektive guckt doch einfach mal bei meinen Mitfreiwilligen vorbei!

Lukas

Jan-Niklas

 

 

 

 

Falls Ihr Interesse an den aktuellen Entwicklungen habt, schaut doch mal bei den aktuellen Freiwilligen vorbei!